IT- & Geschäftsprozess- Outsourcing bei Banken

Über Erfolge wie auch über gescheiterte Projekte im Umfeld des IT- & Geschäftsprozess-Outsourcings bei Banken wird viel geschrieben und referiert. Zeit, dieses Thema etwas zu beleuchten. IT- & Geschäftsprozess-Outsourcing bei Banken ist ein sehr weitgehender Begriff. So kann man das reine und zeitlich begrenzte «Body Leasing» für IT-Projekte wie die Auslagerung von ganzen Geschäftsprozessen auf Dauer darunter subsumieren. Die Hauptgründe für solche Auslagerungen liegen, wie von Studien bestätigt, in der Konzentration auf Kernkompetenzen und bei Kostenargumenten wie hauptsächlich Kostensenkung, aber auch bessere Kostenplanung und Kontrolle.

Nachfolgend der Versuch einer Skizzierung von verschiedenen Stufen einer IT- & Geschäftsprozess-Auslagerung bei Banken:

In einer ersten Stufe bieten sich IT-infrastrukturnahe Bereiche zur Auslagerung an. Dies sind z. B. Beschaffung, Installation und Betreuung von PCs und Servern, des Netzwerkes, aber auch Dinge wie Support von Office-Anwendungen etc. Dies wird durch eine hohe Standardisierung und den «Commodity»-Charakter dieser Bereiche schon oft praktiziert.

In einer zweiten Stufe liegt die Auslagerung der Entwicklung (bei einer anwenderspezifischen Lösung), der Anpassung (bei Standardsoftware) und/ oder des Betriebs von IT-Systemen zur eigentlichen Geschäftsprozessabwicklung nahe. Dies können ganze Bankenpakete (aus IT-Sicht das Herz der Bank) oder auch dedizierte IT-Systeme zur Unterstützung von Prozessen wie Kundenberatung, Portfolio Management, Wertschriftenhandel etc. sein. Auch auf dieser Stufe gibt es zahlreiche Beispiele aus der Praxis.

Auf der dritten und anspruchsvollsten Stufe wird die Auslagerung von ganzen Geschäftsprozessen angegangen. Das heisst, es werden nicht nur die benötigten IT-Systeme, sondern die Abwicklung des ganzen Geschäftsprozesses ausgelagert.

Hier bieten sich sehr verschieden geartete Geschäftsprozesse an. Es gibt Beispiele von standardisierten Prozessen mit hohen Volumina wie die Wertschriftenabwicklung, aber auch von individuellen Prozessen wie Aktien Research im Investment Banking. Die Auslagerung von Geschäftsprozessen ist umso schwieriger und komplexer, je mehr Schnittstellen der auszulagernde Prozess systemseitig und organisatorisch mit der Bank besitzt. Hier ist nach wie vor ein Mangel an Standardisierung vorhanden.

Wenn man die drei skizzierten Stufen unter dem Gesichtspunkt der Hauptgründe für eine Auslagerung betrachtet, nämlich der Konzentration auf Kernkompetenzen und Kostenargumente, gibt es Folgendes zu bedenken:

Aus Sicht der Kernkompetenzen ist die erste Stufe ziemlich problemlos auszulagern, da diese Bereiche zwar die technologische Basis darstellen, aber wohl keine signifikanten Wettbewerbsvorteile ermöglichen. Auf der zweiten und der dritten Stufe besteht die Gefahr von Einschnitten in die Wettbewerbsvorteile einer Bank. Hier gilt es die Geschäftsprozesse und unterstützenden IT-Systeme zu identifizieren, welche klare Wettbewerbsvorteile erzeugen können. Anschliessend muss überlegt werden, ob und was man auslagern will und wo man die Kompetenzen im eigenen Unternehmen pflegen und allfällig sogar ausbauen will.

Auf der Kostenseite muss der Anbieter, an den ausgelagert wird, signifikant günstiger produzieren können, damit sich das Geschäft für ihn rechnet, denn er will einen Gewinn erwirtschaften, er muss Mehrwertsteuer auf seine Dienstleistungen erheben etc.

Schätzungen gehen davon aus, dass, ausgehend von einer gewünschten Kostenverringerung von 15 Prozent beim Anwender, der Anbieter nach dem Betriebsübergang die gleichen Leistungen zu 60 Prozent der ursprünglich beim Kunden entstandenen Kosten erbringen können muss.

Dies kann er durch Skaleneffekte und eine automatisierte Abwicklung und/oder billigere Ressourcen (Stichwort Softwareentwicklung oder auch Aktien Research in Indien) erreichen. Aus Sicht der Skaleneffekte sind diese weitestgehend auf der dritten Stufe zu erlangen. Standardisierte und automatisierte Geschäftsprozesse mit einem hohen Volumen bieten das grösste Potenzial für Skaleneffekte. Inwieweit sich die Verlagerung speziell von Softwareentwicklungsprojekten in Länder mit tieferem Lohnniveau ausbezahlt, ist aus meiner Sicht bis heute noch nicht abschliessend beantwortet worden. Hier ist unter anderem der höhere Aufwand für Spezifikation und Kommunikation zu berücksichtigen.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich folgende Spannungsfelder: Die Bereiche, welche sich aus Überlegungen der Kernkompetenzen und auch der praktischen Umsetzbarkeit am einfachsten auslagern lassen, bieten das kleinste Potenzial an Kosteneinsparungen.

Auf der anderen Seite der Skala sind die Bereiche, welche grössere Kosteneinsparungen ermöglichen würden, heute noch zu wenig standardisiert, komplex zu bewerkstelligen und bedeuten nicht selten einen Einschnitt in die Kernkompetenzen einer Bank.

Dieser unlösbar scheinende Trade-Off kann aus meiner Sicht nur durch eine zunehmende Standardisierung sowie eine klare Identifikation von Kernprozessen und Nichtkernprozessen überwunden werden.

Abschliessend gilt auch beim IT & Geschäftsprozess-Outsourcing die alte Weisheit: «There is no such thing as a free lunch.»

Artikel von Volkmar Ritter vom 11. Dezember 2004 in “Wirtschaft Regional”

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